Im ersten Blog dieser dreiteiligen Serie über den Einfluss von KI auf Corporate Learning haben wir uns mit den rasanten Veränderungen in der Entwicklung von Lerninhalten, auch Content Development genannt, beschäftigt. Diese Veränderungen werden vor allem durch eine Vielzahl von KI-Tools vorangetrieben, die die gesamte Prozesskette des Content Development beeinflussen.

Im zweiten Blogbeitrag beschäftige ich mich näher mit der „Auslieferung“ der Lerninhalte an die Lernenden, auch Content Deployment oder Content Assembling genannt, beschäftigen. Dabei werde ich näher auf das so genannte Adaptive Learning eingehen, das wohl das größte Potenzial durch KI verspricht, zumindest behaupten das die Anbieter von adaptiven Lernsystemen.

Laut einer Studie von Josh Bersin stehen Mitarbeiter in der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt vor der Herausforderung, in der begrenzten Zeit von durchschnittlich 1% ihrer Arbeitszeit oder de facto 24 Minuten pro Woche in formalen Lernsettings effektiv zu lernen. Hier soll Künstliche Intelligenz (KI) im betrieblichen Lernen eine entscheidende Rolle spielen, indem sie adaptive Lernpfade erstellt, die auf den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Lernenden basieren.

Bersin, Josh (2017) Meet the Modern Learner

Herausforderungen für Corporate Learning

Die zeitaufwändige Suche nach relevanten Lerninhalten führt häufig zu Frustration bei den Lernenden. KI soll nun helfen, diese Lerninhalte schneller zu identifizieren, dies zudem automatisiert und individuell auf den Lernenden zugeschnitten. Dies ist eine der großen Herausforderungen für Corporate Learning Abteilungen, da eine Skalierung auf viele tausend Mitarbeiter meist nicht möglich ist.

KI soll nun adaptive Lernpfade ermöglichen, die eine personalisierte und datenbasierte Lernerfahrung bieten. Die folgende Grafik zeigt, wie verschiedene Lernende unterschiedliche Wege zum Kompetenzerwerb einschlagen, basierend auf ihren individuellen Interaktionen und Bedürfnissen.

elearning journal (2022) Adaptives Lernen & KI – die Lösung für echte personalisierte Lernerfahrungen

Die Grafik zeigt die individuellen Wege, die drei Lernende eingeschlagen haben, um 100 % Kompetenz zu erreichen. Jeder Punkt stellt ein granulares Lernziel dar, wobei die Größe die Anzahl der Interaktionen darstellt, die der Lernende mit dem jeweiligen Lernziel hatte. Jeder Lernende wird von der KI auf einem völlig individuellen Weg durch den Kurs geführt:

  • Lernender 1 durchläuft den Kurs fast linear.
  • Lernender 2 braucht viel mehr Unterstützung. Er hat zu Beginn 41% unbewusstes Nichtwissen.
  • Lernender 3 hatte genauso viel zu lernen wie Lernender 2, war sich aber seines Anfangswissens viel bewusster. Er hatte besondere Schwierigkeiten mit einem Lernziel.

Herausforderungen bei der Entwicklung adaptiver Lernprogramme

Eine Schlüsselaufgabe bei der Entwicklung adaptiver Lernpfade ist die Erstellung eines Kompetenzmodells, das verschiedene Kompetenzniveaus und Leistungsindikatoren definiert. So muss z.B. festgelegt werden, auf welchen Niveaus sich das Spracherwerb entwickelt, an welchen Daten und Verhaltensweisen sich dies genau festmachen lässt und welche didaktische Intervention als Nächstes sinnvoll ist.

Technische Anlage digitaler Lernprogramme
Kerres, M. (2021) Didaktik. Lernangebote gestalten. Waxmann UTB.

Die Entwicklung des Kompetenzmodells, das die verschiedenen Niveaus des Kompetenzerwerbs mit den entsprechenden Leistungsindikatoren ausweist, erfolgt in der Regel in Zusammenarbeit mit Personen mit hoher fachlicher Expertise und auf der Grundlage theoretischer Modelle und deren empirischer Validierung. In vielen Fällen sind diese Modelle nicht verfügbar oder es ist praktisch unmöglich, sie zu entwickeln. Hier können KI-basierte Methoden eingesetzt werden, um ein Expertisemodell automatisiert zu generieren: Das System beobachtet Personen mit hoher Expertise bei der Ausführung der Tätigkeit anhand verschiedener Verhaltensparameter und vergleicht diese ggf. mit Neulingen im Umgang mit der Anwendung. Daraus kann das System Muster berechnen, die das Handeln der Expertinnen und Experten charakterisieren.

Erforderlich ist darüber hinaus eine präzise Diagnose der Kompetenzen der Lernenden auf den verschiedenen Niveaustufen im Lernprozess. Benötigt werden prägnante Verfahren zur kontinuierlichen und punktuellen Erfassung von Kompetenzstufen im Lernprozess, die in der erforderlichen inhaltlichen Breite und Tiefe sowie Reliabilität und Validität überwiegend nicht zur Verfügung stehen.

Vorteile und Wertversprechen

  • Personalisierung: Adaptives Lernen stellt sicher, dass HR-Experten Inhalte und Schulungen erhalten, die ihren aktuellen Fähigkeiten und Karrierezielen entsprechen.
  • Höheres Engagement: Lernende sind engagierter, wenn die Inhalte für ihre Bedürfnisse relevant sind, was zu einer besseren Speicherung und Anwendung des Wissens führt.
  • Effizienz: Adaptives Lernen kann die Zeit verkürzen, die HR-Mitarbeiter benötigen, um Fähigkeiten zu entwickeln oder zu erneuern, indem es sich auf Bereiche konzentriert, in denen Verbesserungen notwendig sind.
  • Datenbasierte Erkenntnisse: HR-Abteilungen können die von Adaptive Learning-Plattformen generierten Daten nutzen, um Kompetenzlücken zu identifizieren und fundierte Entscheidungen zur Mitarbeiterentwicklung zu treffen.
  • Kosteneffizienz: Gezieltes Training reduziert unnötige Ausgaben für generische Programme und macht Trainingsbudgets effizienter.
  • Künstliche Intelligenz wird das adaptive Lernen im Personalwesen revolutionieren, indem sie Folgendes ermöglicht
  • Verbesserte Personalisierung: KI-Algorithmen können große Datenmengen analysieren, um hochgradig personalisierte Lernpfade für HR-Experten zu erstellen.
  • Echtzeit-Feedback: KI kann sofortiges Feedback und Empfehlungen für Verbesserungen geben und so den Lernprozess beschleunigen.
  • Kontinuierliche Verbesserung: Maschinelles Lernen kann adaptive Modelle im Laufe der Zeit verfeinern, um sicherzustellen, dass die Inhalte relevant und effektiv bleiben.
  • Prädiktive Analyse: KI kann den künftigen Qualifikationsbedarf vorhersagen und HR-Experten proaktiv entsprechende Schulungen anbieten.
  • Effizienz: Automatisierung durch KI kann den Verwaltungsaufwand reduzieren und adaptives Lernen noch kosteneffizienter machen.

Herausforderungen und Limitierungen

  • Qualität der Inhalte: Die Sicherung der Qualität adaptiver Inhalte kann eine Herausforderung darstellen, da diese ständig aktualisiert und angepasst werden müssen.
  • Implementierungskosten: Die anfänglichen Einrichtungskosten und die laufende Wartung adaptiver Lernsysteme können erheblich sein.
  • Datenschutz: Das Sammeln und Analysieren von Daten zur Personalisierung des Lernens kann Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Sicherheit aufwerfen.
  • Widerstand gegen Veränderungen: Einige HR-Experten können sich gegen die Einführung neuer Lernmethoden sträuben und traditionelle Ansätze bevorzugen.
  • Begrenzte Lerninhalte: Je nach Anbieter kann der Umfang der verfügbaren adaptiven Inhalte begrenzt sein.
  • Zu wenige Lerndaten, nicht geeignet für KI-Anwendungen, die auf Big Data angewiesen sind.
  • Keine/wenige Kontextdaten, oft nur reine Lerndaten

Wenn Sie planen, adaptive Lernsysteme in Ihrer Organisation einzuführen, bietet Ihnen die folgende Liste einen guten Marktüberblick über etablierte Systeme. Damit haben Sie eine erste Möglichkeit, diese Systeme zu vergleichen.

Fazit

KI hat das Potenzial, das adaptive Lernen in der betrieblichen Bildung zu revolutionieren. Unternehmen müssen sich jedoch der Herausforderungen und Grenzen bewusst sein und Strategien entwickeln, um diesen effektiv zu begegnen. In einer Welt, in der Lernzeit knapp ist, kann KI eine Schlüsselrolle dabei spielen, Lernprozesse zu optimieren und auf die individuellen Bedürfnisse der Lernenden einzugehen.

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