Im Rahmen der Veranstaltungsreihe KI Herbst 2023 des Digital Education Institutes wurde ich gebeten, die Keynote zum Thema “Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf Corporate Learning” zu halten. In diesem Blogbeitrag fasse ich die Hauptpunkte zusammen. Der Einfluss von KI auf Lernen hat sehr viele Aspekte. Nach einer kleinen Einführung zur Einordnung von Corporate Learning und zur Begriffsbestimmung konzentriere mich auf vier Bereiche des Corporate Learning, die jeweils mittels einem konkreten Anwendungsbeispiel veranschaulicht werden.

  1. Content Development
  2. Content Deployment
  3. Knowledge Management
  4. Future Skills Management und Talent Intelligence

Warum gerade diese vier? Weil hier der Einfluss von Generativer KI besonders deutlich ist und zu weitreichenden Änderungen führt. Mein Anspruch liegt hier also nicht auf Vollständigkeit, sondern auf Relevanz. In diesem ersten Blogpost gebe ich eine kurze Einordnung zum Corporate Learning und gehe auf den ersten Bereich ein, dem Einfluss der KI auf die Erstellung von Lerninhalten (Content Development).

Einführung und Begriff Corporate Learning

Bersin, Josh (2022) A New Strategy For Corporate Learning.

Ich verwende hierfür eine Grafik des US-Analysten Josh Bersin, die einen guten Überblick über die jeweiligen Schwerpunktthemen von Corporate Learning versucht und diese auch zeitlich einordnet.

Worum geht es also bei Corporate Learning? Corporate Learning ist der betrieblichen Bildung zuzuordnen. Wie der Begriff Corporate nahelegt, geht es um das Lernen in Unternehmen, den so genannten Corporations. Corporate Learning ist somit eine Form des Bildungsmanagements, die sich speziell auf das Lernen, die Aus- und Weiterbildung und Entwicklung von Mitarbeitenden in Unternehmen konzentriert.

Der Begriff Corporate Learning wird in der Unternehmenspraxis nicht trennscharf verwendet. In vielen Unternehmen tragen die Abteilungen und Teams, die sich mit Lernen, Aus- und Weiterbildung
beschäftigen, andere Bezeichnungen und verwenden Synonyme wie Learning & Development, People
Development, Personalentwicklung, Corporate Academy
oder ähnliches.

Der “Auftrag” von Corporate Learning

Lernabteilungen in Unternehmen und Organisationen verfolgen immer einen Auftrag, der sich in der Regel aus den Unternehmenszielen ableitet. Dieser Bildungsauftrag wird bestimmt durch das Warum der Lernorganisation, d.h. ihre Existenzberechtigung oder ihr „normativer Sinnhorizont“ (laut Sabine Seufert ). Typische Bildungsaufträge sind z.B. die Entwicklung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden oder deren Karriereentwicklung zu unterstützen, eine unternehmensweite Lernkultur zu etablieren oder die Schaffung einer flexiblen und anpassungsfähigen Belegschaft.

Im Kern umfasst dies die Entwicklung von Bildungskonzepten, die Auswahl von Bildungsanbietern (intern oder extern), die Festlegung der Trainingsmethoden (Präsenztraining, formell, informell, digital, virtuell, blended oder hybrid), die Auswahl der Trainingsinhalte, die Vorbereitung des Trainings-Set-up (IT, Technik, Räume, Trainerinnen und Trainer, Teilnehmermanagement), die Durchführung der Trainings, das Einholen von Feedback sowie die Evaluation und Erfolgsmessung der Wirksamkeit der Trainingsmaßnahmen. Dies umfasst sowohl formelle Trainings als auch informelle Lernmöglichkeiten, die durch die Arbeit im Unternehmen und den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen entstehen, sowie alle Formen des Wissenserwerb von Mitarbeitenden und Teams.

Der Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf die Erstellung von Lerninhalten

Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in das betriebliche Lernen, insbesondere im Bereich der Inhaltsentwicklung, stellt einen Wendepunkt in der Art und Weise dar, wie Unternehmen Lerninhalte erstellen und vermitteln. KI ermöglicht eine Personalisierung und Effizienzsteigerung, die traditionelle Methoden nicht bieten können.

Herausforderungen bei der Contenterstellung

Der klassische Prozess der Inhaltserstellung ist durch einen hohen Zeit- und Ressourcenaufwand gekennzeichnet. Die Entwicklung von Texten, Videos, Simulationen und Kursen dauert oft Monate. Zwar gibt es zahlreiche Tools wie Lectura und Adobe, aber die Koordination zwischen verschiedenen Experten und Medien bleibt eine Herausforderung.

KI als Lösungsangebot

KI-Technologien bieten hier innovative Lösungen. Sie können die Zeit für die Erstellung von Inhalten dramatisch verkürzen, indem sie Quizze, Tests und sogar komplette Lernmodule automatisch erstellen. Generative KI ermöglicht es, aus wenigen Eingaben umfangreiche Simulationen, Präsentationsfolien und interaktive Elemente zu generieren.

Anwendungsbeispiele

Ein praktisches Beispiel ist der Einsatz von generativer KI zur Analyse von Arbeitsprozessen. So könnte eine KI die Arbeit von Vertriebsmitarbeitern analysieren und auf dieser Basis realistische Stellenausschreibungen und zielgerichtete Trainingsinhalte entwickeln. Solche Systeme könnten Unterschiede zwischen Top-Performern und Mitarbeitern mit Entwicklungsthemen aufzeigen und darauf aufbauend effektive Trainingsinhalte erstellen.

Ein weiteres Beispiel ist der MOOC Societech: Society in the Context of Information Technology der Technischen Universität Graz. Der Kurs bietet eine umfassende Analyse der gesellschaftlichen Auswirkungen der Informationstechnologie. Die Lerhmaterialien des Kurses – Kursbeschreibungen, Videos, Kurstexte und Quizzes – wurden komplett mit Online-KI-Tools generiert.

Veränderung der Rollen und Verantwortlichkeiten beim Content Development

Die folgende Übersicht zeigt eine Auswahl an Jobrollen, die im Prozess der Lerninhalteentwicklung eine Rolle spielen. Wir sehen, das sich nicht nur die Rolle des Kursentwicklers durch KI grundlegend verändert. Anstelle des traditionellen Designs von Lernmaterialien liegt der Schwerpunkt nun auf der Zusammenarbeit mit KI, um Inhalte effizienter zu gestalten. Fachexperten und Grafikdesigner nutzen KI, um schneller qualitativ hochwertige Inhalte zu produzieren. Lerntechnologieexperten müssen die richtigen KI-Tools auswählen und implementieren.

  • Kursentwickler/Instruktionsdesigner: Entwickeln den Lehrplan und die Lernziele, gestalten die Kursmaterialien und wählen die geeigneten Lieferformate aus.
  • Fachexperten/Content-Experten: Liefern das Fachwissen und unterstützen bei der Entwicklung des Kursinhalts, insbesondere in einem spezialisierten Bereich wie Leadership.
  • Projektmanager: Koordinieren das Projekt, stellen sicher, dass Meilensteine erreicht werden und halten das Budget ein.
  • Grafikdesigner und Mediengestalter: Entwerfen Grafiken, Videos und interaktive Elemente für alle Trainingsformate.
  • Lerntechnologieexperten: Unterstützen bei der Auswahl und Implementierung der Lernplattformen und Werkzeuge für digitale, Blended-, Hybrid- und virtuelle Trainings.
  • Trainer/Dozenten: Vermitteln den Kursinhalt in Klassenraum- oder virtuellen Umgebungen und leiten interaktive Sitzungen.
  • Lernmanager: Überwachen den Lernfortschritt, bieten Unterstützung und Feedback für Lernende und Trainer.
  • Qualitätssicherung: Prüfen die Kursmaterialien auf Genauigkeit und Benutzerfreundlichkeit über alle Formate hinweg.
  • Marketing- und Kommunikationsspezialisten: Bewerben den Kurs und kommunizieren mit potenziellen Teilnehmern.
  • Kundenbetreuer/Vertriebsmitarbeiter: Stellen die Verbindung zu den Kunden her und sammeln Feedback für zukünftige Kursverbesserungen.
  • Lernende: Die Zielgruppe des Kurses, deren Feedback für die Weiterentwicklung des Kurses unerlässlich ist.

KI-Tools im Detail

Das Institute for Management Development (IMD) hat eine Zusammenstellung der besten KI-Tools für „bessere Produktivität“ erstellt. Diese zeigt eindrucksvoll die Vielfalt verfügbarer KI-basierter Assistenzsysteme. Interessant ist, dass allein 6 der 11 Kategorien einen direkten Bezug zur Content-Entwicklung haben: In den Bereichen Creating Images; Creating Sound; Creating Videos; Learning & Education; Task Automation und Chatbots stehen eine Vielzahl von KI-Tools zur Verfügung, die dafür sorgen, dass sich die oben genannten Jobs und Rollen in den jeweiligen Bereichen massiv verändern.

IMD Center for Digital Business Transformation (2023) Generative AI Applications

Fazit

Die Integration von KI in Corporate Learning, insbesondere im Bereich Content Development, führt zu einer umfassenden Veränderung in der Erstellung von Lerninhalten. Sie ermöglicht eine deutliche Reduzierung der Entwicklungszeiten, verändert die Jobrollen aller an der Lerninhalteerstellung Beteiligten, Senkt der Produktionskosten und verändert die Art und Weise, wie Lerninhalte konzipiert und vermittelt werden fundamental. Für Corporate Learning und L&D-Verantwortliche bedeutet dies, sich mit einer Vielzahl von KI-Tools vertraut zu machen und deren Potenzial für effizientere und effektivere Lernprozesse zu nutzen.

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